Blutgerinnung
Abb.: Schema der plasmatischen Blutgerinnung
Das Blut hat die überaus komplexe Aufgabe, sich unter normalen Bedingungen als Flüssigkeit im Kreislauf zu bewegen, bei einer Verletzung der Gefäßwand aber sofort zu gerinnen und den Gewebsdefekt dicht zu verschließen. Die Blutgerinnung ist lebenswichtig, und ihr vollständiger Ausfall führt zum Tode. Am Vorgang der Gerinnung sind einerseits die Blutplättchen (Thrombozyten) und andererseits die im Blut gelösten Gerinnungsfaktoren (Eiweißkörper) beteiligt.
Nach einer Gefäßverletzung setzt sofort die primäre Blutgerinnung ein. Die Muskulatur der Gefäßwand zieht sich innerhalb weniger Sekunden zusammen und verkleinert damit den Gefäßquerschnitt. Aus dem Gewebsdefekt treten biochemische Substanzen heraus, die eine Zusammenballung der Blutplättchen veranlassen. So entsteht ein weißer Thrombus (Blutgerinsel), der zwar noch instabil ist, die Blutung aber erst einmal notdürftig stillt. Dieser Vorgang dauert etwa 4 Minuten.
Bei der sekundären Blutgerinnung wird der Thrombus gefestigt. Das erfolgt letztendlich dadurch, dass sich der im Blut gelöste Eiweißkörper Fibrinogen in das unlösliche Fibrin umwandelt, und dadurch ein faseriges Netzwerk entsteht. Dieser überaus komplizierte Prozess läuft in einzelnen Stufen ab und unterliegt der Steuerung durch bestimmte Gerinnungsfaktoren.
Im Rahmen der sekundären Blutgerinnung gibt es zwei biochemische Wege, den über das exogene und den über das endogene System. Sie laufen parallel ab und führen zu demselben Endprodukt, dem Gerinnungsfaktor II oder Prothrombin. Im exogenen System werden die im Blutplasma vorhandenen nicht aktiven Vorstufen der Gerinnungsfaktoren an den verletzten Gewebestrukturen aktiviert. Auf dem zweiten Weg, dem endogene System, wird die Gerinnungskaskade über spezielle Faktoren eingeleitet, die aus den Blutplättchen und den Endothelzellen stammen. Beide Systeme führen dazu, dass aus der Vorstufe des Gerinnungsfaktors Prothrombin (Faktor II) der unmittelbare Gerinnungsfaktor Thrombin (Faktor IIa) entsteht. Thrombin bringt dann den Blutfaserstoff Fibrin (Faktor I) zur Abscheidung. Zuletzt lagern sich dann weitere Thrombozyten und Erythrozyten in das Netzwerk des Gerinnsels ein. Damit ist ein roter Thrombus entstanden, und die Blutung steht endgültig.
Der Körper verfügt über wichtige Kontrollsysteme, die mit den Blutgerinnungsfaktoren in einem ständigen Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Hemmung stehen. Sie befinden sich im Blutplasma als Eiweißkörper und an den Endothelzellen. Auch der im Thrombus entstandene Faserstoff Fibrin kann durch das Enzym Plasmin wieder aufgelöst werden. Deshalb wird hier von dem fibrinolytischen System (Lyse=Auflösung) gesprochen. Darauf beruhen auch die Heilungsvorgänge bei der Thrombose.
Die Kenntnis der Blutgerinnung spielt sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie von Venenkrankheiten eine große Rolle. Es sind Störungen der Blutgerinnung einerseits im Sinne der erhöhten Blutungsbereitschaft (Hämorrhagien) und andererseits der erhöhten Thromboseneigung (Thrombophilie) zu unterscheiden.
Bei vielen Krankheiten wird heute eine gerinnungs-hemmende Therapie durchgeführt, manchmal sogar aus lebensnotwendiger Indikation. Der plasmatische Blutgerinnungsfaktor Prothrombin lässt sich durch den Arzneistoff Kumarin (Marcumar®, Falithrom®, Coumadin®) herabsenken, um die Gefahr von arteriellen und venösen Thrombosen zu vermindern. Heparine (Innohep®, Fraxiparin®, Clexane®, u.a.) greifen in der Mitte der Gerinnungskaskade an. Azetylsalizylsäure (Aspirin®, ASS®, Godamed®) entfaltet seine Wirkung hauptsächlich auf die Blutplättchen und kommt deshalb vorzüglich bei der Arteriosklerose zum Einsatz. In den letzten Monaten wurden neue Präparate für die Gerinnungshemmung zugelassen.
Weiterführende wissenschaftliche Literatur
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Bruhn D, Hach-Wunderle V, Schambeck CM, Scharf R (2007). Hämostaseologie für die Praxis. Schattauer. Stuttgart