Kurze Biographie zum Vortrag am 24.11.2009 bei den Lions Bad Nauheim


Heinrich Heine (1794-1856) und seine Matratzengruft

von Wolfgang Hach

Heinrich Heine wurde aufgrund seiner Lebensarbeit, aber auch wegen seiner Popularität und seines Selbstbewusststeins schon zu Lebzeiten mit vielen Attributen belegt,

      der größte Romantiker,

ebenso berühmt wie Goethe,

      ein Kind der Aufklärung,

      Dichter der Natur und der Liebe.

Heines Gedichte wurden nach den ersten Liedern des gleichaltrigen Franz Schubert bis in unsere Zeit hinein fast 10 000 mal vertont (G. Metzner). Heine wurde zum Vorbild eines anspruchsvollen Feuilletons. Seine Schriften zeichneten sich durch politische Klarsicht und soziales Engagement aus. Deshalb ist er auch mit dem preußischen Staat in Konflikt geraten und wurde im Hitler-Deutschland totgeschwiegen. Aber auch sein schweres Schicksal, die lange Krankheit in der Matratzengruft, haben ihn unvergesslich gemacht.

 

Über Heine gibt es unzählige Bücher. Für meine Recherchen am wichtigsten waren „der alte (Robert) Proelß“ von 1886 und das Buch „Die Matratzengruft“ des damaligen Arztdichters Alfred Meißner, der ähnlich wie der Hausarzt  Dr. Vogel bei Goethe, die letzten Jahre von Heinrich Heine aus der zeitgenössischen ärztlichen Sicht beschrieb (Bücher 1856 und 1884). Eberhard Galley, der Direktor des Heine-Museums in Düsseldorf, hat 1973 neue Erkenntnisse der Heine-Forschung zusammengetragen. Zuletzt erwähne ich die aktuelle medizinische Bearbeitung des Themas durch Roland Schiffter, Professor der Neurologie aus dem Jahre 2006.

 

Die Fähigkeiten der Dichtkunst wurden Heine in die Wiege gelegt. Er stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie mit weltweiten Beziehungen. Aus heutiger Sicht erschien es für seine späteren literarischen Arbeiten wichtig, dass er nach Frankreich umgezogen ist. Von Paris aus hat er seine deutsche Heimat gewissermaßen mit europäischen Augen zu betrachten gelernt. So darf man Heine als ersten Dichter der Moderne bezeichnen.

 

Heinrich Heine wurde am 13.12.1794 als erstes von 4 Kindern in Düsseldorf geboren. Sein Vater Samson  (1764-1828) kam mittellos aus Norddeutschland und betrieb in Düsseldorf den Tuchhandel. Er stammte aus einer Familie von Hoffaktoren des Fürsten in Bückeburg. Die Mutter Betty van Geldern (1771-1859) stammte dagegen aus einer reichen holländischen Familie von Ärzten und Bänkern. Sie war eine allseits hoch gebildet Dame und beherrschte mehrere Sprachen fließend. In Düsseldorf besaß sie Grund und Boden.

 

Heine besuchte zunächst eine israelitische Privatschule und dann das Lyzeums. Hier erlebte er 1811 den Einzug von Napoleon in Düsseldorf, das damals zu Frankreich gehörte. Heine konnte deshalb später auch die französische Staatsbürgerschaft für sich in Anspruch nehmen. Schon als Junge verehrte er den Kaiser  Napoleon zu tiefst, weil in seinem Staatswesen die Juden und die Nicht-Juden gleichstellt waren.

 

Nach Abbruch des Lyzeums im Jahre 1815 begann Heine eine kaufmännische Lehre bei dem Bankier Rindskopff in Frankfurt am Main. Hier in Frankfurt hat er zum ersten Mal ein Judenviertel und die Ausgrenzung der Juden kennenlernen müssen. Im nächsten Jahr ging er an das Bankhaus seines vermögenden Onkels Salomon Heine nach Hamburg. Dort erlebte er auch die erste große Liebe zu seiner Cousine Amalie Heine. Davon handelten die romantischen Liebesgedichte in seinem Buch der Lieder.

Junge Leiden (1817-1821)

„In meiner Brust, da sitzt ein Weh,

Das will die Brust zersprengen:

Und wo ich steh´ und wo ich geh´,

Will´s mich von hinnen drängen“.


Aber die Banklehre endete erfolglos. 1819  wandte sich Heine in Bonn dem Jurastudium zu. Schon im folgenden Jahr ging er nach Göttingen. Dort wurde er wegen eines Duell-Vergehens für 1 Semester redegiert und studierte von 1821-1823 in Berlin weiter. Das juristische Staatsexamen und die Promotion zum Doktor der Rechte hat er dann aber 1825 wieder in Göttingen abgelegt.

Studentenzeit und Mitgliedschaft in einer Burschenschaft brachten Vergnügungen und Liebschaften mit sich. Dazu gehörte 1824 auch die Affäre mit der schönen Köchin des Hofrats Anton Bauer. Anschließend musste sich Heine „von einem ärgerlichen Ausschlag kurieren“ lassen. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um die Infektion mit Syphilis.

 

Sonette (1821-1822)

„Hüt´dich, mein Freund, vor schwarzen alten Katzen,

Doch schlimmer sind die weißen jungen Kätzchen;

Ein solches macht´ ich einst zu meinem Schätzchen,

Doch thät mein Schätzchen mir das Herz zerkratzen“.

 

Heine merkte die Ausgrenzungen des Judentums vom Preussischen Staat in jeder Hinsicht. Viele Juden und auch er sind deshalb zum Christentum übergetreten. Trotzdem musste er wegen seiner jüdischen Abstammung immer wieder bösartige Angriffe hinnehmen, so dass er die Taufe später bereut hat.  Aber Heine teilte auch kräftig aus. Das hat ihm viele Kritiken eingebracht. Eine juristische Kariere und auch seine Kandidatur für eine juristische Professur in München wurden abgelehnt. Besonders heftig und vor allem öffentlich fand ein Streit mit dem Dichter August Graf von Platen statt. Diese Platen-Affäre hat letztendlich beiden Streithähnen den Weg zur Anerkennung versperrt. 

Nach den Studien ließ sich Heine 1825 als Freier Schriftsteller in Hamburg nieder. Bis 1831 erlebte er hier eine sehr erfolgreiche Zeit. Er lernte den erfolgreichen Verleger Julius Campe (1792-1867) kennen, und es erschienen und viele andere Dichtungen. Im Anschluss an die Harzreise besuchte Heine 1824 auch Das Buch der Lieder, Die Harzreise, Die ReisebilderWolfgang von Goethe in Weimar.

 

Im Jahre 1831, also mit 37 Jahren, siedelte Heine für immer nach Paris um. Paris galt damals als die Spitze der Welt. Er konnte sich mit den Zielen der französischen Revolution im Juli des Vorjahres (1830) identifizieren, eben so mit dem Grundgedanken der Französischen Revolution 1848. Aber von dem Ergebnis der Revolution wandte er sich schließlich enttäuscht ab.

Ein wichtiger Einschnitt bedeutete 1834 für Heine die Bekanntschaft mit Augustine Crescens Mirat, seiner Mathilde, die er im Jahre 1841 geheiratet hat. Trotz der großen Unterschiede in Herkunft und Bildung blieb Mathilde ihm eine verlässliche Ehefrau bis an sein Lebensende.

 

In den ersten Pariser Jahren war Heine als Dichter und Schriftsteller überaus erfolgreich. Es erschienen seine berühmten Atta Troll (1843) und Deutschland – ein Wintermärchen (1844), sowie viele andere Aufsätze.

 

Deutschland – Ein Wintermärchen (1844)

„Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein,

Wie ist es dir ergangen?

Ich habe oft an dich gedacht

Mit Sehsucht und Verlangen“.

 

Im Jahre 1837 traten die ersten Krankheitserscheinungen auf. Als der Onkel Salomon 1844 starb und das erwartete Erbe für ihn und die Pension für seine Frau Mathilde im Testament nicht vermerkt waren, haben sich die Lähmungen des Körpers drastisch verstärkt. Insbesondere waren das linke Auge und der linke Arm betroffen. Zwei Kuren brachten nur vorübergehend Besserung.


Die Zeit der langen Krankheit kündigte sich am 23. Februar 1848 an. Heine kam mit Mathilde von der Nervenheilanstalt an der Barrière de la Santé zu seiner Wohnung zurück. Da klangen Volksgeschrei und Gewehrgeknatter von der Straße herauf. Die Revolution hatte begonnen. Sein Wagen, mit dem er zur Nervenheilanstalt zurückfahren wollte, wurde von den Revolutionären zerschlagen und zum Bau der Barrikaden verwendet.

 

Heines  Zustand verschlechterte sich von Woche zu Woche. Die Kinnbacken waren gelähmt, das Sprechen fiel ihm schwer. Feste Speisen konnte er nicht mehr kauen. Dadurch nahm die allgemeine Körperkraft schnell ab. Auch der rechte Arm ging teilweise in die Lähmung über.

 

Den Beginn der Matratzengruft hat Heine mit eigenen Worten beschrieben, die in allen Biographien wiedergegeben werden.

 

„Es war im Mai (1848), an dem Tage, wo ich zum letzten Male ausging, als ich Abschied nahm von meinen Idolen, die ich angebetet in den Zeiten meines Glücks. Nur mit Mühe schleppte ich mich bis zum Louvre, und ich brach fast zusammen. Unsere liebe Frau von Milo, zu ihren Füßen lag ich lange, und ich weinte so heftig, daß sich dessen ein Stein erbarmen mußte“.

 

Heine sollte seine Wohnung bis zum Tode 1856 nie wieder verlassen. Im folgenden Jahre 1849 haben die Lähmungen den ganzen Körper ergriffen, alle Gliedmaßen, die Sprachwerkzeuge, den Geschmack, das Gehör und die Augen. Die Augenlider musste er mit den Fingern auseinanderschieben, um auf ein Blatt Papier oder auf einen Besucher zu schauen. Zur Linderung seiner Schmerzen nahm er immer größere Dosen Morphium ein. Aber in den schlaflosen Nächten und in den Phantasien des Rauschgiftes entstanden die schönsten Dichtungen, die er dann morgens seinem Sekretär diktierte.

 

Zum Lazarus – Letzte Gedichte (1855)

„Es hat mein Haupt die schwarze Frau

Zärtlich ans Herz geschlossen;..

 

Sie küsste mich lahm, sie küsste mich krank,

Sie küsste mir blind die Augen;

Das Mark aus meinem Rückgrad trank

Ihr Mund mit wildem Saugen.

 

Mein Leib ist jetzt ein Leichnam, worin

Der Geist ist eingekerkert - …

Heine ließ sich von seiner Frau Mathilde vor allem theologische Schriften vorlesen, und das führte dazu, dass er an einen ganz persönlichen Gott zu glauben lernte. Für sein Begräbnis hat er deshalb bestimmt, dass keine Vertreter der großen Religionen eingeladen werden.

Im Vorjahre seines Todes, also 1855 trat an sein Krankenbett eine junge Dame mit heiterem Temperament, die er Mouche nannte. Er verliebte sich in sie und fand wohl auch Gegenliebe. Dieser Beziehung haben wir die schönsten Liebesgedichte zu verdanken.

 

Lotusblume – An die Mouche (1855)

„Die Lotusblume erschließet

Ihr Kelchlein im Mondenlicht.

Doch statt des befruchtenden Lebens

Empfängt sie nur ein Gedicht“.


Am 15. Februar besuchte Mouche den Dichter zum letzten Mal, und er sagte zu ihr, „Schiebe den Hut etwas zurück, damit ich dich besser sehen kann“. In der folgenden Nacht begann der Todeskampf.  Am Morgen des 17. Februar 1856 gegen 5°° hatte Heinrich Heine ausgelitten. Zu seinem Begräbnis kamen nur wenige Emigranten sowie Alexander Dumas.




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