Krampfadern

Krampfadern

Abb.: Ausgeprägte Krampfadern mit Beingeschwür (Ulcus cruris)

Einführung
In Deutschland leidet fast jeder zweite Erwachsene an Krampfadern. Frauen sind von leichten Formen etwas häufiger betroffen, die schwere Krampfaderkrankheit wird bei beiden Geschlechtern jedoch in etwa gleichhäufig beobachtet.

Das Blut aus dem Bein fließt zu 90% über die tiefen Venen zum Herzen hin ab. Die oberflächlichen Venen führen das Blut aus den Venengeflechten der Haut über zahlreiche Verbindungen den tiefen Venen zu. Krampfadern gibt es nur im oberflächlichen Venensystem, das im Kreislauf eine geringe Rolle spielt. Oberflächliche Venen und Krampfadern können deshalb ohne Nachteil entfernt werden.

Die Krampfaderkrankheit wird als Varikose, die Krampfader selbst als Varize bezeichnet. Definitionsgemäß handelt es sich dabei um eine oberflächliche Vene, deren Wandstruktur so schwer geschädigt ist, dass sich unregelmäßige Erweiterungen und Schlängelungen ausbilden. Der Blutfluss verlangsamt sich in dem betroffenen Gefäßabschnitt, und in der Kombination mit anderen wichtigen Faktoren resultiert daraus eine erhöhte Neigung zur oberflächlichen Venenentzündung und Thrombose.

Entstehung
Die Veranlagung zur Krampfaderkrankheit wird in der Regel vererbt. Bei der Erkrankung eines Elternteils beträgt die Wahrscheinlichkeit zu erkranken 44%, bei beiden Eltern demnach 88%. Für die klinische Ausprägung sind bestimmte Risikofaktoren von Bedeutung. Dazu gehören hormonelle Einflüsse wie in der Schwangerschaft oder bei der hormonellen Schwangerschaftsverhütung, weiterhin die vorwiegend stehende Körperhaltung während der Arbeit und eine mangelnde sportliche Betätigung. Auch das Übergewicht und das Zigarettenrauchen wirken sich begünstigend aus.

Klinisches Bild und Diagnostik
Nach den anatomischen Voraussetzungen lassen sich vier verschiedene Arten der Varikose differenzieren, die auch hinsichtlich der Therapie und der Prognose (Krankheitsverlauf) typische Merkmale aufweisen. An der Innenseite des Beins zieht die große Stammvene, die Vena saphena magna, entlang und mündet in der Leiste direkt in das tiefe Venensystem ein. Bei der Stammvarikose der Vena saphena magna fließt das Blut in umgekehrter Richtung von der Leiste her in das Bein hinab. Dadurch erscheint das Gefäß bei der ärztlichen Untersuchung im Stehen erweitert und prall gespannt. Die Stammvarikose führt zu Stauungserscheinungen im Bein und bei langjährigem schwerem Krankheitsverlauf zu Hautverfärbungen, Entzündungen, Ekzemen und schließlich zum Geschwür, dem Ulcus cruris. Die Ursache dieser schweren Komplikationen liegt in der Entwicklung eines pathologischen Rezirkulationskreislaufs begründet. Durch den wiederholten Durchfluss des rückläufigen Blutvolumens in den tiefen Leitvenen tritt eine Überlastung und Schädigung dieses wichtigen Gefäßeabschnitts ein, und wir sprechen von der tiefen Leitveneninsuffizienz. Ähnliches gilt für die kleine Stammvene an der Wade, die Vena saphena parva.

Die Diagnose einer Stammvarikose wird heute in der Regel durch die farbkodierte Duplexsonographie gesichert. Es gibt aber auch ungewöhnliche Krankheitsformen, die als inkomplette Stammvarikose bezeichnet werden. In besonderen Fällen erscheint zusätzlich die Phlebographie (Röntgenuntersuchung der Venen) empfehlenswert, damit der Chirurg für seine Operation wichtige Informationen erhält. Die Phlebographie kann schmerzfrei durchgeführt werden; sie ist heute nur mit einer geringen Strahlenbelastung verbunden, und Nebenwirkungen werden sehr selten beobachtet.

Die Seitenäste der Vena saphena magna verlaufen am Ober- und am Unterschenkel. Bei der varikösen Umbildung, der Seitenastvarikose, zeigen sie in der Regel einen stark geschlängelten Verlauf. Manchmal stehen sie mit dem tiefen Venensystem direkt in Verbindung. Dann ist zur Vorbereitung auf die Operation eine bildgebende Diagnostik unabdingbar .

Das oberflächliche und das tiefe Venensystem stehen über die Verbindungsvenen, die Venae perforantes, miteinander in Beziehung. In ihnen fließt das Blut normalerweise zu den tiefen Venen hin ab. Bei einem Funktionsverlust entwickelt sich die Perforansvarikose mit einer Strömungsumkehr des Blutes. Sie kann an verschiedenen Stellen des Beins lokalisiert sein. Am wichtigsten ist die Cockett´sche Perforansvarikose oberhalb des Innenknöchels. Sie muss für viele ernsthafte Komplikationen der Krampfaderkrankheit und der postthrombotischen Krankheit verantwortlich gemacht werden, insbesondere für das venöse Beingeschwür (Ulcus cruris venosum). Die Diagnose ergibt sich aus dem typischen klinischen Befund mit Hautvorwölbung. Auch mit der Ultraschall- und der Röntgenuntersuchung (Phlebographie) gelingt die Darstellung.

Retikuläre Venen liegen eingebettet in der Haut und sind überall am Bein zu finden. Aus ihnen entsteht die häufigste Form der Krampfaderkrankheit, die retikuläre Varikose. Sie hat eine große Rezidivneigung. Es liegen keine unmittelbaren Beziehungen zum tiefen Venensystem vor, deshalb ist auch nicht mit ernsthaften Komplikationen im Krankheitsverlauf zu rechnen. Jedoch kann die retikuläre Varikose ein Stauungsgefühl und Schmerzen auslösen, insbesondere bei längerem Stehen und bei der Frau in Abhängigkeit vom hormonellen Zyklus.

Die unschönen Besenreiser gehören nicht zu den Krampfadern im engeren Sinne. Aber auch sie können Schmerzen verursachen. Besonders häufig werden sie bei Frauen gesehen, was auf hormonelle Einflüsse bei der Entstehung hinweist.

Therapie
Zur Behandlung einer Stammvarikose der Vena saphena magna oder parva ist die Operation geeignet. Bei der sog. partiellen Saphena-Resektion wird heute nur noch der krankhaft veränderte Gefäßabschnitt entfernt. Das reduziert das Ausmaß des Eingriffs und das Risiko von Komplikationen. Die komplette Entfernung der Vena saphena magna, die Babcock´sche Operation, wird heute nur noch durchgeführt, wenn die Stammvene in ganzer Länge, vom Knöchel bis zur Leiste, betroffen ist. Die Operationsnarben sind meistens so klein, dass sie später kaum mehr sichtbar sind.

Als Behandlungsverfahren finden auch spezielle Techniken wie die Anwendung der Kryosonde (Kälte-Sonde) ihren Platz. Bei den neuen Laser- und Radiowellen Techniken, wird die Vene durch energiereiche Strahlung an Ort und Stelle im Körper "vernarbt"; die Methoden sind für leichte Erkrankungen ausreichend.

Bei einer unzureichenden Behandlung bleibt der pathologische Rezirkulationskreis bestehen, und die Schädigung der wichtigen tiefen Leitvenen nimmt von Jahr zu Jahr zu. Schließlich ist dieser Prozess dann nicht mehr rückgängig zu machen und verursacht zeitlebens das Krankheitsbild der tiefen Leitveneninsuffizienz mit immer wiederkehrenden Krampfadern, Beinschwellungen und nicht selten einem chronischen Beingeschwür (Ulcus cruris venosum). Deshalb wird zur frühzeitigen Therapie der Stammvarikose geraten.

Auch die Seitenastvarikose wird operiert, wenn sie eine Verbindung zu den tiefen Venen hin aufweist. In der Regel erfolgt die Schnittführung in der Leistenfalte. Der kleine Eingriff ist sehr effektiv. Die stark geschlängelte Krampfader wird direkt anschließend durch kleinste Einschnitte (Phlebektomie) beseitigt oder zu einem etwas späteren Zeitpunkt ambulant durch die Sklerosierung beseitigt.

Eine Perforansvarikose lässt sich am besten auf operativem Wege behandeln. Der Hautschnitt bleibt im Rahmen der Krampfaderkrankheit ebenfalls sehr klein.

Bei der retikulären Varikose gilt die Sklerosierung (Verödung) als Therapie der Wahl. Dabei wird eine alkoholische Arzneimittellösung in die Vene injiziert, um die Gefäßwände miteinander zu vernarben. Die Schaumsklerosierung stellt eine neuere Technik als Alternative zur Phlebektomie dar, der Entfernung von Krampfadern durch kleinste Einschnitte. Insbesondere wenden wir die Schaumsklerosierung bei der Rezidivvarikose an.


Besenreiser lassen sich aus ästhetischen Gründen und bei lokalen Beschwerden beseitigen. Die beste Methode ist die Sklerosierung mit feinsten Nadeln.

Komplikationen
Die Krampfaderkrankheit kann eine Reihe von schweren, ja lebensgefährlichen Komplikationen nach sich ziehen, wenn die Behandlung nicht oder nicht rechtzeitig erfolgt. An erster Stelle ist die Varikophlebitis zu nennen, die Entzündung und Thrombosierung der Krampfader. Aus einer thrombosierten Stammvene können sich Thromben ablösen und zur Lungenembolie führen. Eine bedrohliche Situation ergibt sich auch bei der Blutung aus einer Krampfader, die sich durch eine feste Kompression von außen meistens rasch beheben lässt. Zu den Spätfolgen zählt vor allem die Schädigung der tiefen Venen durch die sekundäre Leitveneninsuffizienz bis hin zum chronischen Geschwür (Ulcus cruris venosum).


Lebensregeln
Bei einer Neigung zu Krampfadern sollten die Art und das Risiko der Krankheit durch eine fachärztliche Untersuchung festgelegt werden. An erster Stelle sind die Normalisierung des Körpergewichts und die Einstellung des Zigarettenrauchens anzustreben. Günstig wirkt sich die sportliche Betätigung aus, insbesondere Gehen, Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen. Abends sind die Beine mit kaltem Leitungswasser abzuduschen und venengymnastische Übungen vorzunehmen. Das Tragen von konfektionellen Stützstrümpfen der Klasse I (aus dem Kaufhaus, Strumpfgeschäft oder Sanitätshaus) empfehlen wir nur für besondere Umstände wie langes Stehen oder in der Schwangerschaft.  Der medizinische Kompressionsstrumpf der Klasse II (aus dem Sanitätsgeschäft) wird während der Behandlungen und bei kompliziertem Krankheitsverlauf verordnet.

Weiterführende wissenschaftliche Literatur

Hach W, Mumme A, Hach-Wunderle V (2016). VenenChirurgie, 3 Auflage. Schattauer, Stuttgart.

Noppeney T, Nüllen H (2010). Diagnostik und Therapie der Varikose. Springer. Heidelberg

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Hach W, Hach-Wunderle V (2000) Das Stripping und die Konkurrenzverfahren zur chirurgischen Behandlung der Stammvarikose. Gefässchirurg 5:56-61

Hach W, Hach-Wunderle V (1994) Die Rezirkulationskreise der primären Varikose. Springer, Heidelberg

Hach W, Hach-Wunderle V (1994) Phlebographie der Bein- und Beckenvenen. Schnetztor, Konstanz

Hach W, Hach-Wunderle V (1994) Phlebography and Sonographie of the Veins. Springer, Heidelberg

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Hach W (1985) Die Varikose der Profunda-Perforans, ein typisches phlebologisches Krankheitsbild. Vasa 14:155-7

Hach W, Salzmann G (1982) Die Chirurgie der Venen. Schattauer, Stuttgart

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